Drecksarbeit

Moshe Zuckermann

Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von der “Drecksarbeit”, die Israel “für uns alle” macht. Nur eine rhetorische Entgleisung?

Zivilisatorischer Fortschritt zeichnet sich durch zunehmende Arbeitsteilung aus. Das hat zum einen mit den sich häufenden und ständig komplexer werdenden Herausforderungen der Gesellschaft zu tun (ein Einzelner kann nicht alles bewältigen, was mehrere Menschen durch Arbeitsteiligkeit effizient zu meistern vermögen), zum anderen aber auch mit sozial motivierter Hierarchisierung der Arbeit, die den oberen Schichten der Gesellschaft sogenannte angesehene Arbeitsbereiche vorbehält, den niederen Schichten hingegen das, was man entsprechend “niedere Arbeiten” zu nennen pflegt.

Hieß es aber im mittelalterlichen Klosterwesen noch “ora et labore”, wobei Arbeit als Teil der Tugend klösterlichen Daseins begriffen wurde, so entfaltet sich im Feudalismus der Neuzeit, mithin in der Aristokratie eine negative Haltung der Arbeit gegenüber, besonders in Bezug auf körperliche Arbeit. Der Aristokrat möchte mit seinem blassen, gepuderten Gesicht nicht zuletzt indizieren, dass er bzw. sein Stand nicht der Sonne bei der Feldarbeit ausgesetzt sei. Als dann auch der Adel beginnt, sich dem Bürgertum anzugleichen und bürgerlichen Berufen nachzugehen, handelt es sich um Arbeitsbereiche, die dem orthodoxen Adel zuwider sind, dem Bürgertum aber als renommierte, gar prestigeträchtige Tätigkeit gelten. Wenn es vom englischen Aristokraten um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert heißt, er reise von seinem Landgut zu Geschäften in der City, ist damit nicht nur die Fahrt nach London, sondern vor allem die zur Börse gemeint. Aber auch noch im hochbürgerlichen Haushalt wird die Hierarchie von Upstairs, Downstairs strikt gewahrt, wie in der britischen TV-Serie aus den 19070er Jahren meisterlich dargestellt…

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